Ferdinand Reisenbichler: Leiter der Lebenshilfe-Kunstwerkstatt Gmunden geht in Pension

Eine Institution der Lebenshilfe Oberösterreich geht in Pension: Ferdinand Reisenbichler hat in den vergangenen 30 Jahren die Kunstwerkstatt der Lebenshilfe-Werkstätte Gmunden aufgebaut und dieser weit über die Landesgrenzen hinaus in der Kunstszene einen Namen gemacht. Die Liste an Ausstellungen und Auszeichnungen ist lang. Kolleg*innen und Wegbegleiter*innen bedankten sich bei Reisenbichler dafür mit einer kleinen Überraschungsfeier vor der Galerie am Rinnholzplatz in Gmunden.

1987 begann Ferdinand Reisenbichler in der Lebenshilfe-Werkstätte Gmunden in der Seidenmalgruppe zu arbeiten. Doch der Markt war schnell übersättigt und die Seidenprodukte stapelten sich im Geschäft. 30 Jahre später ist klar: Das Aus der Seidenmalgruppe hat sich zu einem extremen Glücksfall entwickelt. Denn es war gleichzeitig der Beginn der Kunstwerkstatt der Lebenshilfe-Werkstätte Gmunden, die Ferdinand Reisenbichler in den vergangenen 30 Jahren zu einem weit über die Landesgrenzen hinweg bekannten Atelier für Künstler*innen mit Beeinträchtigung aufgebaut hat.

Die Gruppe von neun Künstler*innen und einem Art in Residence hat weit über 100 Ausstellungen im In- und Ausland – darunter München, Berlin oder Wien mit dem Kunstforum Bank Austria – gestaltet. Die Mehrfachnominierungen zum europäischen Kunstpreis EUWARD und eine Preisträgerschaft durch Sigrid Reingruber 2007, Kunstankäufe durch Arnulf Rainer, Hermann Beil, Kurt Schwertsik oder der Kunstsammlung des Land OÖ und die langjährigen Kooperationen mit international tätigen Unternehmen wie Miba oder Kremsmüller sowie Beiträge in einschlägiger Fachliteratur und Kunstbüchern zeugen von der hohen Qualität der Künstler*innen.

Großer Einsatz und Engagement

„Es ist beeindruckend, wie sich jede Einzelne und jeder Einzelne individuell weiterentwickelt hat und gleichzeitig im Team alle wechselseitig davon bereichert wurden“, bedankte sich Mag. Gerhard Scheinast, Geschäftsführer der Lebenshilfe OÖ bei einer kleinen Überraschungsfeier am Rinnholzplatz vor der Galerie in Gmunden für die langjährige Arbeit von Ferdinand Reisenbichler. Für den Mal- und Gestaltungstherapeut sowie bildenden Künstler ist immer das Können seiner Kolleg*innen im Vordergrund gestanden und er hat sich dafür eingesetzt, dass die Künstler*innen der Kunstwerkstatt in der Öffentlichkeit als solche wahrgenommen werden: „Meine Kolleg*innen sind zuallererst einmal Menschen. Ohne das Wort ‚Beeinträchtigung‘ – einfach nur Menschen“, so Reisenbichler.

2014 wurde die Galerie Tacheles für zeitgenössische Kunst und Art Brut in der Gmundner Traungasse gegründet. 2020 ist die Galerie eine Kooperation mit dem alteingesessenen Kunstverein Kunstforum Salzkammergut eingegangen und auf den zentral gelegenen Rinnholzplatz umgezogen. Die Ausstellungstätigkeiten werden 50/50 aufgeteilt und von den Künstler*innen der Lebenshilfe betreut. Die Künstler*innen der Kunstwerkstätte sind mittlerweile gleichberechtigte Mitglieder im Kunstforum Salzkammergut – ein Präzedenzfall unter Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung, der Dank des Einsatzes und Engagements von Ferdinand Reisenbichler gelang.

Die Kunstwerkstatt ist Gründungsmitglied des inklusiven Kunstprojektes Sequenzen und die Galerie Tacheles als erste Art Brut Galerie beim jährlichen Kunstsalon in Linz als Teilnehmer dabei.

Künstlerin aus Hamburg übernimmt Kunstwerkstatt

Mit dem Pensionsantritt von Ferdinand Reisenbichler übernahm Sarah Schindelar die Leitung der Kunstwerkstatt. Die 38-jährige Hamburgerin übersiedelte gemeinsam mit ihrem österreichischen Mann ins Salzkammergut und kann in ihrem neuen Job ihre Qualifikationen und Fähigkeiten perfekt verbinden. Die diplomierte Sozialpädagogin steht kurz vorm Abschluss des Studiums für Kommunikationsdesign, ist bereits seit vielen Jahren auf verschiedene Art und Weise künstlerisch aktiv und hat mehrere Ausstellungen gestaltet. Sie freut sich gemeinsam mit Sylvia Vorwagner, die von Ferdinand Reisenbichler aufgebaute Kunstwerkstatt weiter zu führen und zu entwickeln.

Reisenbichler freut sich auf mehr Zeit für sein eigenes Atelier, Reisen und Klettern. Noch im Mai macht sich Reisenbichler gemeinsam mit seiner Frau mit dem eigenen Wohnmobil zu einem Kletterurlaub nach Sardinien auf den Weg. Der Lebenshilfe OÖ bleibt Reisenbichler als ehrenamtlich Tätiger erhalten.

6.5.2022